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Selbstregulation bei Kindern: wie Musik Familien stärkt

Zum Frühstück hatte dein Kleinkind einen Gefühlssturm, weil die Rosinen leer waren? Es ist ununterbrochen zappelig und du fragst dich, wie du ihm beim Runterfahren helfen kannst? Wie du euch mit Musik stärken und gleichzeitig selbst entspannen kannst, erfährst du hier.

Was ist Selbstregulation?

Die Rosinen sind aus und dabei hättest du so gerne noch mehr davon gehabt! Was für ein Frust, was für eine Wut. Du greifst nach deinem Müslischälchen und fegst es über den Tisch. Als es klirrend auf dem Boden zerspringt, merkst du … das war jetzt vielleicht doch nicht so eine gute Idee. Und da purzeln auch schon die Tränen

Vielleicht waren es auch nicht die Rosinen, sondern die Milch – die war einfach zu kalt?

Erkennst du dich ein Stück weit darin wieder? Vielleicht nicht in Milch und Rosinen, aber denk mal an … na, sagen wir, die ausgefallene S-Bahn oder deine Steuererklärung.

Wer sich selbst regulieren kann, ist seinen Gedanken und Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert und reagiert nicht automatisch und unüberlegt, etwa auf Stress-Reize. (1) Und ja, es kann eine Weile dauern, bis wir diese Fähigkeit entwickelt haben – eigentlich ein ganzes Leben.

Doch es lohnt sich, dranzubleiben. Denn wer sich in belastenden Situationen selbst beruhigen kann und aktiv Einfluss auf seinen Stresspegel nimmt, der kann es im Leben mit vielem aufnehmen – kalter Milch, der deutschen Bahn oder eben auch zappeligen Kindern. Selbstregulation macht Kinder und Erwachsene nicht unverwundbar, aber ausgeglichener, ausbalancierter – eben resilienter.

„Stressverhalten“ statt „Missverhalten“

Der kanadische Psychologe Dr. Stuart Shanker betont, dass sich überreizte Kinder im Stress nicht willentlich danebenbenehmen. Sie sind sich praktisch selbst ausgeliefert. Sie zeigen kein „Missverhalten“, sondern ein „Stressverhalten“. (2)

 

Dieses Umdenken macht es einfacher, ihnen in der Situation das zu geben, was sie vor allem brauchen: coregulierende Erwachsene, die ihnen beistehen, bis sich die Wogen wieder glätten.

 

Shanker nennt das „die Gehirnbrücke“:

Du überträgst darüber deine Ausgeglichenheit praktisch auf dein Kind und hilfst ihm, mit seinen Gefühlen und seinem Stress umzugehen: indem du dich selbst regulierst. Durch deine Stimme, deine Atmung und deine Präsenz. Doch auch für uns selbst ist das in machen Situationen nicht leicht. Vor allem eben nicht im Stress

Modern Adorable Children's Room Wall Art Poster Frame Mockup Instagram Post (1).png

Singend zu Selbstregulation 

Singend leicht im Alltag mit Kleinkind Selbstregulation üben – mit der "Gute-Laune-Liste".

Symptome von Stress bei Kleinkindern

Daran erkennst du Stress und Überreizung bei deinem Kleinkind unter anderem (2):

1

Das Kleinkind haut Mama oder andere Kinder (oder Papa, natürlich)

2

Es hat Schwierigkeiten einzuschlafen oder zur Ruhe zu kommen

Kind in einem Bärenkostüm

3

Es entzieht sich den Stressreizen durch Abwenden oder Einschlafen bzw. Rückzug

4

Es zeigt erhöhte Schmerzempfindlichkeit

Klar ist aber auch: Was bei dem einen Kind ein Stresssymptom ist, kann beim nächsten Kind ein Ruhemodus sein. Wie so oft gilt auch hier: Hinschauen und individuell betrachten

Was stärkt die Selbstregulation bei Kindern und Erwachsenen?

Auf körperlicher Ebene stärkt– neben vielen möglichen weiteren Faktoren:

ausreichend Schlaf

 gutes Essen und Trinken

angenehmes Licht und angepasste Lärmkulisse

soziale Einbindung ohne Bedrohungsgefühl, soziale Sicherheit

Doch diese Faktoren muss man erstmal bemerken und als Stress identifizieren. Darum ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstregulation, die eigene Selbstwahrnehmung zu stärken:

  • Wie geht es mir gerade?

  • Was denke, fühle ich?

  • Welche Handlungsimpulse spüre ich?

  • Was macht mein Körper gerade?

  • Sind meine Muskeln angespannt oder entspannt?

  • Bin ich wütend, traurig, friere ich oder habe ich Durst?

Wer schon mal aus lauter Tatendrang seinen Gang zur Toilette oder das Mittagessen so lange wie möglich hinausgeschoben hat, weiß: Stress und diese Form der Selbstaufmerksamkeit passen nicht gut zusammen.

Wichtig hier: Es geht nicht darum, ein Gefühl – ja, auch einen Gefühlsstrum – möglichst schnell weg zu beschwichtigen, sondern eben erstmal zu bemerken, was da ist. Das kennst du wahrscheinlich schon unter dem Begriff  "Achtsamkeit".

"Die Musik hat mir geholfen, aus Erziehungsmustern auszubrechen, die mir nicht gefallen."

Sofie, Mutter von zwei Kindern

Spielideen für die Selbstregulation 

Du musst dafür nicht anfangen, mit deinem Kind zu meditieren. Für den Alltag mit Kindern gibt es viele Spielideen, die diese Selbstwahrnehmung fördern können – ganz nebenbei im Alltag (6). Und das geht mit und ohne Musik

Kinder balancieren über Baumstämme

Den Balancesinn anregen

z.B. über einen Parcours oder einfach über Steine balancieren

oder eben: ein Instrument spielen (denn auch das hat viel mit Balance zu tun :-)

Kind bläst Farbe über Papier

Den Atem bewusst machen

z.B. Blätter über eine Wasseroberfläche pusten

oder eben: singen

Junge macht Handbewergung

Körpergefühl vermitteln

z.B. durch das Nachmachen von Tierbewegungen 

oder eben: tanzen

Emotionsregulation bei Kindern 

Wahrscheinlich ist dir in Ratgebern rund um pädagogische Themen schon mal der Rat begegnet, mit Kindern über Gefühle zu sprechen. Es macht auch absolut Sinn, sich nicht nur spüren zu lernen, sondern das Gefühl auch in Worte fassen zu können. Der Fachbegriff dafür ist emotionale Differenzierung und gilt als wichtiger Schritt im Prozess der Emotionsregulation bei Kindern.

Das Buch "Heute bin ich" von Mies van Hout ist mittlerweile ein echter Klassiker in Pädagogik und Psychologie. Die Autorin hat mit ihren farbenfrohen Fischgestalten Gefühle total ausdrucksstark in Szene gesetzt.

Tipp für Kinder ab 2 Jahren – zum Anschauen und (!): Vertonen
Erschienen bei aracari 

Heute bin ich Cover

In akuten Situationen kann das Sprechen über Gefühle mit deinem Kind aber auch ganz schön schwierig sein. Denn für einige Kinder ist das ein zusätzlicher Stressfaktor (2).

Musik kann als Möglichkeit, Gefühle ohne Worte auszudrücken, ein weiterer Weg sein, sich zu spüren und ausdrücken zu lernen: und zwar nicht nur in akuten Wutsituationen, sondern auch, um entspannte Momente im Alltag zu gestalten. 

"Gefühle benennen, in den Arm nehmen: dieses „Begleiten“ hatte in den Wutanfällen meines Sohns oft eher eine gegenteilige Wirkung. Doch durch das Singen konnten wir verfahrene Situationen auflösen und Leichtigkeit in unseren Alltag bringen. Und vor allem: Es hilft auch mir selbst, mich zu regulieren."

Kristin, Mutter eines Kindes, Psychologin in der Familienhilfe

Welche Wirkung hat Musik auf Kinder und Eltern?

Du hast nach dem Musikhören mal das Gefühl gehabt, besserer Laune und irgendwie entspannter zu sein – die Wissenschaft würde das bestätigen. Denn die Wirkung von Musik auf die psychische und physische Gesundheit von Menschen ist in den letzten Jahren intensiv erforscht worden. (3/4)

 

So wie es aussieht, eignet sich Musik besonders gut dazu, Stresshormone abzubauen und Angst oder sogar körperliche Schmerzen zu reduzieren. Und das in jedem Alter und ziemlich nebenwirkungsfrei. So bringt uns Singen und Musik machen oder auch hören ein Stück weit wieder in Stress-Balance und hilft uns bei der Selbstregulation.

Gemeinsames Singen mit deinem Kind, kannst du dir als klingende Coregulierung vorstellen. Der Effekt deiner Entspannung überträgt sich über die Schallwellen leicht auf dein Kind. (4)

Für das Familienleben gibt es aber noch einen anderen netten Effekt: Auch die Kooperationsbereitschaft und soziale Fähigkeiten steigen durch gemeinsames Musizieren. Denn dadurch wird das Bindungshormon Oxytocin ausschütten. Das wird in der Forschung immer klarer.

Warum körper- und wahrnehmungsorientiert Musizieren?

Aber – und das gibt es ja meistens: natürlich nur in einem gewissen Maß und eben auch nur dann, wenn du Musikmachen oder die Musik an sich nicht mit negativen Erfahrungen verknüpfst.

 

Studien zeigen: Bei Profimusiker:innen kann der Effekt der Musik, das Stresshormon Cortisol abzubauen, deutlich geringer ausfallen, als bei Laienmusiker:innen – vermutlich, weil ihnen ihr Leistungsdruck mehr Stress macht, als abzubauen. (5)

Musikausbildung – und ja, damit ist auch schon der spielerische Singkreis für die Kleinsten gemeint – trägt also eine ziemlich hohe Verantwortung dafür, Musizierenden den ausgleichenden Effekt der Musik ein Leben lang zu erhalten und zu vermitteln, wie man ihn bewusst nutzen und verstärken kann.

Und das ganz unabhängig davon, ob sie einmal in einem Orchester sitzen oder nur für sich „zum Spaß“ musizieren werden.Wie kann das gelingen?

 

Durch körper- und wahrnehmungsorientiertes Musiklernen, das auch die Basis für mein Musilienz-Konzept bildet.

Quellen und Lesetipps

(1) Tatjana Reichhart, Claudia Pusch: Resilienz-Coaching, Springer

(2) Dr. Stuart Shanker: Das überreizte Kind, Wie Eltern ihr Kind besser verstehen und zu innerer Balance führen. Mit der weltweit bewährten Methode der Selbstregulierung, Mosaik

(3) Elke Wünnenberg, Singen und Selbstregulation, in: Lexikon Musiktherapie,  hogrefe 

(4) Ingo Roden, Stephan Bongard, Gunter Kreutz: Musik und Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen, in: Musik und Medizin – Chancen für Therapie, Prävention, Rehabilitation und Bildung, Springer

(5) Gunter Kreutz: Warum Singen glücklich macht, Psychosozial-Verlag

Blog "Geborgen Wachsen" von Susanne Mierau: Wie Kinder Selbstregulation lernen

Weitere Spielideen für die Selbstregulation:

(6) Brigitte Wilmes-Mielenhausen: Resilienz erleben in der Kita, Herder

Stefanie Böhm, Musik und Resilienz

Ich bin Stefanie

Als Diplom-Musikpädagogin begleite ich Eltern nach meinem Musilienz-Ansatz dabei, ihre eigene musikalische Begabung = Wahrnehmung zu entwickeln, Musik zu ihrer Kraft- und Balancequelle im Alltag zu machen und musikalische Ausgeglichenheit an ihre Kinder weiterzugeben. Mehr zu meiner Arbeit …

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