
Leichter Musizieren: Was bringt Körperarbeit für Musiker:innen?
Der musikalische Fluss stockt und nach dem Üben schmerzen Hände, Rücken oder Schultern: Dieses Problem kennen nicht nur Anfänger:innen am Instrument, sondern auch noch viele Profis. Alexandertechnik, Feldenkrais und Resonanzlehre versprechen Hilfe.
Wie wirken sie?
Was ist Körperarbeit?
Körperorientierte Ansätze sollen Körperwahrnehmung, Entspannung und Stressabbau beim Musizieren fördern.
Die Idee: Musizieren wird besser und gesünder, wenn Musikerinnen und Musiker Körperbewusstsein lernen und einseitige Bewegung ausgleichen.
Dafür gibt es mittlerweile verschiedene Methoden. Elsa Gindler (1885-1961) gilt als westliche Pionierin der Körperarbeit. Alexandertechnik und Feldenkrais sind Ansätze, die schon seit nahezu 100 Jahren erprobt werden, sich aber nicht ausschließlich an Musiker:innen wenden.
Was ist musikalische Körperarbeit?
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Methodenlandschaft weiter differenziert. Immer mehr Musiker:innen und Musikpädagog:innen beschäftigen sich mit Methoden wie Alexandertechnik oder Feldenkrais, beziehen Erkenntnisse in ihre Arbeit ein oder entwickelten eigene Ansätze:
Als "unübliche Überezepte für Instrumentalisten" gelten die 2001 veröffentlichten Bewegungsanalysen des Cellisten Gerhard Mantel zu dieser Zeit noch (4). Heute wird seine Arbeit als musikpädagogisches Allgemeingut gewürdigt.
Der Geiger Thomas Lange entwickelte in den letzten 35 Jahren ein praktisches, systematisches Bewegungsverfahren für Musiker:innen: die Resonanzlehre. Bewegungsübungen sollen hier die Reaktionsbereitschaft des Körpers auf Schallwellen günstig beeinflussen. (3)

“Liebe Stefanie,
schon lange wollte ich dir endlich mal sagen: deine Arbeit mit Resonanzlehre hat mir so unglaublich viel geholfen. Hatte jetzt ein paar Konzerte und so frei habe ich nie gespielt. Ich wollte mich sehr, sehr herzlich bedanken!!!”
und 1,5 Jahre später:
"Ist immer noch, immer wieder ... so genial ... ich übe und spiele so anders ... und es macht Freude!!!"
Geigerin und Musikpädagogin Elisabeth Einsiedler per Email nach 2-3 Stunden Resonanzlehre
Was bedeutet Reaktionsbereitschaft auf Schallwellen?
Wie wir Musik lernen, ist eine noch sehr junge wissenschaftliche Disziplin und nicht abschließend erforscht. Traditionell liegt der Fokus stark auf der Analyse und dem Training von Bewegungsabläufen. (1) Aus der Sportwissenschaft wird häufig die Erkenntnis herangezogen, dass eine Mindestanzahl von Bewegungswiederholungen für das Absichern von Spielbewegungen notwendig sei.
Doch musikalische Bewegungen finden in einem anderen akustischen Setting statt als Sport. Instrumente sind schwingende Systeme, vergleichbar mit sehr komplexen Schaukeln. Unsere Bewegung dient dazu, sie gut „aufzuschaukeln“. Dieses Phänomen nennt man akustische Resonanz und bedeutet in der Praxis:
Töne und Instrumente klingen leichter, wenn sie sich gegenseitig verstärken. Auch Spielbewegungen brauchen nach dem Resonanzprinzip weniger Kraft. Diese Theorie gilt es praktisch am Instrument zu üben und umzusetzen. Das lernte ich über die Resonanzlehre, die ich heute darum "angewandte Akustik" nennen würde.
Das Training von Flexibilität und Reaktionsbereitschaft auf Schallwellen und das Üben von Bewegungsabläufen am Instrument sollte "Hand in Hand" gehen, denn Spielbewegungen verändern sich, wenn das Instrument stark in Schwingung gerät.
Was bedeutet das Resonanzprinzip für das Üben?
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Jede Spielbewegung passt sich an die Schwingung des Instruments an wie beim Surfen. So wird die Eigenschwingung von Instrumenten verstärkt und optimal genutzt.
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Auf diese Weise verstärkt der Körper der Musiker:in die Schallwellen und wird gleichzeitig davon bewegt.
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Um ein System in Schwingung zu versetzen, kann anfangs etwas mehr Energie nötig sein. Schließlich resoniert das Instrument so stark, dass das „Anschaukeln“ leichter wird. Der Energiebedarf für Bewegungen schwankt also im Laufe eines Stücks und mit der Zusammensetzung der Musiker:innen-Gruppe.
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Ob „schwierige Stellen“ gelingen, hängt davon ab, wie gut die Schaukel vorher schon schwingt und Bewegung unterstützt.
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Wie leicht das System in Schwingung gerät, hängt auch vom musikalischen Material ab: tiefe Töne/Basstöne schwingen langsamer, hohe Töne schneller. Je häufiger harmonische Wechsel im Stück vorkommen, desto flexibler müssen Musikerkörper auf die neue Frequenzsituation reagieren, um die Schaukel nicht zu stören.
“Mehr Üben hat einfach nicht mehr Verbesserung gebracht und aus meiner Verkrampfung wollte ich endlich raus.
Vor meiner letzten Stunde war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen. Doch dann ist es passiert: ich habe das erste Mal mit dem ganzen Körper auf meinen Klang am Instrument reagiert. Seit dem kann ich das Üben ganz anders genießen”
Emanuel, Ambitionierter Hobbymusiker mit 5-10 Jahren Spielerfahrung (Gitarre und Klavier)
Die Methoden im Überblick (2)(3)
Feldenkrais
Gründer: Moshé Feldenkrais, Ingenieur und erster europäischer Judoka mit schwarzem Gurt zweiten Grades
Entstehungszeit/Lebenszeit: 1904-1984
Grund der Entwicklung: Selbsthilfe nach Knieverletzung, Interesse an Sport und Bewegung
Vorgehen:
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Verbesserung der Bewegungsorganisation durch sensomotorische Erfahrungen
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Um-Lernen, Neu-Lernen und Widerentdecken von Bewegungsabläufen
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Bewusstheit für Körperbewegungen
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Durchlässigkeit von Bewegungen im Körper: eine Bewegung durchläuft den ganzen Körper, ist fließend und stimmig
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Aufmerksamkeit als wichtigstes Mittel, um Bewegungen zu verbessern
Anwendung bei Musikern: Weit verbreitet, unter anderem fester Bestandteil am Institut für Musikermedizin der Musikhochschule Freiburg
Unterrichtsform: Einzelbehandlung (Funktionale Integration), Gruppenunterricht (Bewusstheit durch Bewegung/Awareness Through Movement)
Alexandertechnik
Gründer: Frederick Matthias Alexander, Schauspieler und Rezitator
Entstehungszeit/Lebenszeit: 1869-1955
Grund der Entwicklung: Selbsthilfe nach Heiserkeit bei Auftritten
Vorgehen:
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Ungünstige Gewohnheiten von Haltung und Bewegung erkennen und durch bewusste Vorstellung korrigieren
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Eigene Bewegungsbeobachtung im Spiegel soll Schreckmuster durch Anspannung, Nervosität und Anspannung aufdecken
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Training anhand einfacher Grundbewegungen wie Aufstehen vom Stuhl, im Stehen oder Liegen oder beim Gehen
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Hände des Lehrers und Denken von Richtungen soll helfen, natürliche Koordination nicht zu stören
Anwendung bei Musikern: Weite Verbreitung unter Profimusiker:innen
Unterrichtsform: Klassischerweise im 1:1, seltener Gruppenarbeit
Resonanzlehre
Gründer: Thomas Lange, Geiger
Entstehungszeit: seit 1991
Grund der Entwicklung: Selbsthilfe nach Sehnenscheidenentzündung durch Orchesterspiel, Wunsch nach "regenerativem Üben"
Vorgehen:
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Training der Reaktionsbereitschaft auf Schallwellen durch einfache Pendel- und Drehbewegungen (Körperübungen der Resonanzlehre) in unterschiedlichen Körperhaltungen, z.B. Sitzen, Stehen und Liegen
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Übung von Durchlässigkeit in der Bewegung (Mobile-Prinzip)
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Integration in das Üben durch "angewandte Akustik" am Instrument
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Musiker:innen lernen, verstärkende Kreisläufe zwischen weniger verspannter, müheloserer Spielbewegung und stärker resonierenden Instrumenten anzustoßen
Anwendung bei Musikern: Zunehmende Verbreitung unter Profimusiker:innen
Unterrichtsform: Selbsthilfe durch die Vermittlung von Körperübungen, Beratungsstunden am Instrument
Übe-Coaching:
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Meine Erfahrung mit Körperarbeit für Musiker:innen
Mit der Alexandertechnik kam ich das erste Mal in meinem Musikstudium in Kontakt, während dem ich nicht immer besser, sondern nach und nach immer verkrampfter spielte. Unterricht in Alexandertechnik veränderte mein Körpergefühl spürbar und schärfte meinen Blick für das sehr verbreitete Problem von Verspannungen und Hemmungen bei Mitstudent:innen und auch Dozent:innen insgesamt.
Ich bemerkte dadurch zwar, wie stark ich selbst beim Spielen meines Instruments verspannte, konnte es aber nicht verändern – auch deshalb, weil ich die Erkenntnisse aus der Körperarbeit nicht leicht in meinen Unterricht am Instrument übertragen konnte. Hier schreibe ich über meine Missverständnisse.
Die Feldenkrais-Methode wiederum brachte mich in eine feine Sensibilität für meine Verspannungen auch während Tätigkeiten, bei denen mir die Selbstwahrnehmung oft abhanden kam – und in denen ich aber nicht musizierte.
Sie half mir z.B. sehr nach der Geburt meiner beiden Kinder und in einer Zeit, in der ich coronabedingt viel am PC arbeitete. Körperliche Beschwerden durch das Tragen der Babys, Belastungen der sitzenden Tätigkeiten – hier spürte ich, dass ich mit den Mitteln der Resonanzlehre an meine Grenzen stieß.
Fazit
Alexander und Feldenkrais haben wichtige Pionierarbeit geleistet. Ohne sie wäre
Musikunterricht heute viel weniger körperorientiert, weil immer mehr Musikpädagog:innen ihre Erfahrungen damit in ihren Unterricht integrieren. Letztlich beeinflusste Alexandertechnik und Feldenkrais auch die Entstehung der Resonanzlehre.
Wichtig war für mich: Die "Überwachung von Bewegungen beim Musizieren" half mir nicht weiter – egal durch welche Methode. Erst die Erkenntnis (und Praxis), dass sich Klang und Bewegung gegenseitig beeinflussen und folglich meine Bewegung auf den Klang reagiert, veränderte mein Spiel grundlegend.
Quellen
(1)
“Nachdem in den vergangenen Abschnitten die neurobiologischen Grundlagen des Übens dargestellt wurden, soll jetzt der Versuch unternommen werden, einige Regeln zum hirnphysiologisch optimierten Üben zu formulieren und den Entwurf einer Neuro-Didaktik des Übens vorzustellen. Allerdings ist große Vorsicht angebracht. Erstens ist das Wissen über den Erwerb musikalischer Fertigkeiten noch sehr unvollständig und der Übertrag aus der Sport- und Bewegungswissenschaften nur in Grenzen möglich, zweitens wird seit Jahrtausenden geübt, und in den vielen Millionen von Überstunden ist eine riesige Menge an Wissen erworben und von den Lehrern weitergegeben worden. (...) Übestrategien, die sich bewährt haben, wurden gepflegt und als Geheimtipp an die Schüler weitergegeben. Andere, vielleicht weniger günstige, gerieten in Vergessenheit. Diesem kumulativen empirischen Expertenwissen der Pädagogen als Neurowissenschaftler etwas entgegenzusetzen, fällt schwer.”
Zitat: Eckart Altenmüller: Hirnphysiologische Grundlagen des Übens. In: Ulrich Mahlert (Hg): Handbuch Üben. Grundlagen, Konzepte, Methoden, Breitkopf & Härtel, Seite 63
(2) Claudia Spahn (Hrsg.): Körperorientierte Ansätze für Musiker, Methoden zur Leistungs- und Gesundheitsförderung.
(3) Thomas Lange, Resonanzlehre, www.resonanzlehre.de
(4) Gerhard Mantel: Einfach üben, 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten, Schott Verlag, 2001, 2010



