top of page

Singen mit Kleinkindern: 18 Tipps zum Beruhigen und Bindung stärken

Aktualisiert: 17. Feb.

Dass Singen in der Familie auf die Eltern-Kind-Bindung wirkt und das Nervensystem entspannt, kann die Forschung immer besser nachvollziehen. Wie du diese Effekte mit Kleinkindern praktisch nutzt und mehr Ruhe in euren Alltag bringst, erfährst du hier. Inkl. Kinderlieder- und Buch-Tipps, Singspielen und Übungen für das Singenlernen als Erwachsener.



Mutter mit Kindern in Hängematte

Inhaltsverzeichnis



Darum ist Singen mit Kleinkindern so sinnvoll


Regen peitscht an die Fensterscheibe, bald sinken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt und es wird gefühlt um15 Uhr schon dunkel. Dem Energieschub meines Kleinkinds tut das keinen Abbruch. Er ist gerade dabei, die Kissen vom Sofa zu werfen und schafft sich Platz für sein Sportprogramm. Spielplatz ist jetzt keine Option mehr. Und bis Papa heim kommt, sind es noch vier Stunden …


In solchen Situationen ist es dir wahrscheinlich auch herzlich egal, dass Musizieren die ganzheitliche Intelligenz deines Kindes fördert. Was mich eher ermutigt, ist die Tatsache, dass Singen nachweislich die Herzfrequenz und den Cortisolspiegel senken kann. Weniger Stress – das können wir jetzt beide brauchen. Vor allem ich


Ich setze mich also hin und begleite sein Hüpfen auf dem Sofa mit Patschen auf meine Oberschenkel. Patsch - Hüpf - Patsch - Hüpf. Irgendwann habe ich seine Aufmerksamkeit eingefangen und er kommt zu mir runter. „Puh, das war jetzt anstrengend, oder? Brauchen deine Füße eine kurze Pause? Na, dann komm mal her …“


Ich halte ihn auf dem Schoß, wiege mich zu einem kleinen Lied mit ihm hin und her und streichle seine Fußsohlen.


Wie Singen die Eltern-Kind Bindung stärkt


Für uns beide ist dieser Moment ein kurzes Innehalten, ein Miteinander-Ankommen. Berührung, wiegende Bewegung und meine Stimme geben ihm und mir selbst Erdung und Ruhe.

Die Wissenschaft würde uns in einem solchen Moment sicher gerne Blut abnehmen. Denn wahrscheinlich könnte man jetzt erkennen, dass Hormone wie Oxytocin und Endorphin ansteigen und das Stresshormon Cortisol sinkt.


Oxytocin ist auch als Kuschelhormon, Bindungshormon oder Mutter-Kind-Hormon bekannt, denn es regelt rund um die Geburt die Wehentätigkeit und den Milcheinschuss. Oxytocin sorgt neben anderen Hormonen dafür, dass sich “bindungsbezogene Emotionen“ entwickeln. Es reduziert Angst und Stress, macht uns empathisch und lässt uns Vertrauen in andere Menschen fassen. Es schafft also eine gute Grundlage, um miteinander eine gute Zeit zu haben.


„Oxytocin prägt das Gehirn des Kindes maßgeblich. Es ist unter anderem für den Aufbau von Urvertrauen zuständig und hemmt das Erleben von Stress und Angst.“ Dr. Eliane Retz – Wild Child

Es wird beim Kuscheln und bei liebevoller Zuwendung im Körper ausgeschüttet – und eben auch beim gemeinsamen Musizieren.

Der Musikwissenschaftler Dr. Gunter Kreutz legt in seinem Buch „Warum Singen glücklich macht“ diese hormonellen Zusammenhängen ganz ohne rosarote Brille dar und kommt zu dem Schluss: „Sprechen ist Silber, Singen ist Gold.“


Kein Wunder also, dass gemeinsames Singen, rhythmisches Bewegen, Klatschen und auf den Körper trommeln seit langer Zeit und in vielen Kulturen rituell genutzt wurde, um in sozialen Gruppen Verbindung zu stiften.


Diese Wirkung macht sich heute die Musiktherapie gezielt zu Nutze, um Menschen mit Traumata, sozialen Phobien und anderen Erkrankungen zu stärkenden zwischenmenschlichen Erfahrungen zu verhelfen und sogar auf das eigentlich autonome Nervensystem einzuwirken.


Singend leicht mit starken Gefühlen umgehen


Singen ist aber nicht nur ein wichtiger „Bindungsbaustein“ wie die Pädagogin und Bindungsexpertin Eliane Retz in ihrem Buch „Wild Child“ schreibt. Durch die Ausschüttung des Hormons Oxytocin kann Singen auch die Emotionsregulation und somit den Umgang mit starken Gefühlen erleichtern.

Wie Musik die Regulation von Stress – also das Sich-Ausbalancieren und zurück zu innerer Ruhe finden – bei Kleinstkindern im Krippenalltag unterstützt, zeigten in den letzten Jahren auch Studien der Evangelischen Hochschule Freiburg.





Eltern, mit denen ich in meinem Kurs Klangpause arbeite, wenden das Singen in unterschiedlichen Momenten bewusst an.

Manche entschärfen durch das Singen von Lieblingsliedern angespannte Situationen, wenn die Stimmung zu kippen droht. Anderen ist gemeinsames Singen ein Mittel, um das Bindungsbedürfnis ihrer Kinder zu befriedigen, wenn es schnell gehen muss.



Sogar wenn in einem Wutanfall gar keine Worte mehr zum Nachwuchs durchdringen, kann Musik auf das gestresste Nervensystem von Kindern wirken. Denn Musik erreicht das Gehirn anders als die Sprache auf einer emotionalen Ebene. Die vertiefte Atmung beim Singen wirkt in stürmischen Momenten auch auf das Nervensystem der Mutter selbst beruhigend.


Wie fördert Singen die Entwicklung von Kleinkindern?

Also einfach singen und – zack – das Kind entwickelt sich zu einer ausgeglichenen Persönlichkeit mit besten Kontakten zum Elternhaus? Wie so oft ist das leider nicht so einfach. Glücklicherweise sind die Effekte von Musik auf die Entwicklung von Kinder vielfältig.


Singen hilft Kindern dabei, …

  • ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken

  • sich zu spüren und Selbstbewusstsein zu entwickeln

  • sich zu beruhigen und Stress abzuleiten

  • emotionale Wogen zu glätten

  • Sprache als sinnvolle Einheiten zu verstehen

  • Beziehung zu anderen aufzunehmen

  • logisch und räumlich-zeitlich zu denken

  • sich zu konzentrieren und zu motivieren

  • zu kooperieren und sich als Teil einer Gruppe zu erleben

  • sich geschickt und mit Freude zu bewegen

  • Motorik, Gleichgewichtssinn und Raumgefühl zu entwickeln



Wie Singen in der Familie Kleinkinder stärkt


5 Tipps wie du das Singen bei Kleinkindern fördern kannst


Möglichst viel selbst gemachte Musik im Alltag. Wie soll das gelingen? Der Tag ist doch eh schon so voll. Aus meiner Sicht ist das vor allem eine Frage der Gewohnheit. Und des guten Materials

  1. Sei ein Vorbild. Wenn du singst, wird dir dein Kind folgen.

  2. Macht gemeinsam lustige Geräusche mit der Stimme, ahmt etwa Tierstimmen nach.

  3. Lies Bücher nicht nur vor, sondern erfinde zu gereimten Buchtexten eigene Lieder.

  4. Wähle Situationen aus, bei denen du regelmäßig singst: beim Wickeln, beim Stillen, bei der Einschlafbegleitung, beim Zähneputzen.

  5. Singe selbst für dich im Alltag, etwa beim Abspülen, Autofahren, Duschen oder in anderen Situationen.

Ich kann nicht singen: Singen lernen als Erwachsener


„Du kannst beim Chorauftritt mitmachen, aber bitte mach einfach nur den Mund auf und zu!“ Wie oft habe ich die Geschichte gehört, wie einer für meine Ohren musikalischen Person ihre Freude am Singen und dazu noch ihr musikalisches Selbstvertrauen abhanden kam.



Eine davon ist Heike, Teilnehmerin an meinem Kurs Klangpause und Mutter von zwei Kindern:

"Nach schlechten Erfahrungen in der Schulzeit war ich überzeugt davon, dass ich nicht singen kann. Nach dem Kurs weiß ich, dass das nicht stimmt und singe jetzt auch mit meinen Kindern."



Wenn du also denkst, dass du nicht singen kannst, bist du damit in ziemlich guter Gesellschaft. Schade daran ist, dass es in der Regel an mangelnder Gelegenheit zum Singen und Ausprobieren mit der Stimme scheitert und nicht am sogenannten Talent.


Und ohne musikalisches Selbstvertrauen, wird diese Verunsicherung von der einen zur nächsten Generation weitergegeben. Denn aus Selbstzweifel und Scham in die Entspannung beim Singen zu finden ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn du Unterstützung brauchst und dich mit deiner Stimme wohler fühlen möchtest, kannst du mich gerne in einem kostenfreien Erstgespräch kennenlernen. Melde dich einfach bei mir.



6 Tipps zum Singen lernen als Erwachsener


Doch zum Glück ist es nie zu spät für eine eigene musikalische Kindheit … So kannst du sie nachholen:

  • Erlebe, dass deine Stimme mehr kann als Sprechen: Mach Stimmspiele mit hohen und tiefen Geräuschen (Siehe „Nasedrücken“ oder „Buchvorsingen“)

  • Summe und spüre die Vibration deiner Stimme im Körper.

  • Denk dir eigene Tonabfolgen aus. Das ist leichter, als mit einem Lied zu starten, bei dem du „richtig“ und „falsch“ vermutest.

  • Höre in die Raumgeräusche, bevor du startest. So richtest du deine Aufmerksamkeit in den Raum, anstatt auf deinen Körper und kritisierst dich weniger.

  • Halten deinen Körper beim Singen nicht fest: Lass ihn drehen und pendeln, während du singst.

  • Schaffst du es, dich selbst wohlwollend wahrzunehmen während du singst?

  • Spüre den Kontakt zum Boden, damit deine Muskeln entspannen können.

  • Zwischen zwei Tönen entsteht eine Spannung im Körper. Wie fühlt sich das für dich an?

„Nase drücken“ – Ein Stimmspiel für den WickeltischWährend du dein Kind wickelst, drückt ihr euch abwechselnd sanft auf die Nase. Jedes mal machst du das Geräusch eines anderen Tieres nach. Wähle dunkle und hohe Laute, kurze und lange. Irgendwann wird dein Kind selbst mitmachen, Geräusche einbringen und eure Tiere immer mehr benennen können. So macht ihr das Wickeln zu einem netten Kontakt- und Kommunikationsspiel, bei der ihr beide eure Stimmen kennenlernt.


5 Buchtipps mit schönen Kinderliedern – ein eigenes Repertoire aufbauen


Wichtig ist, dass du Lieder findest, die dir selbst und deinem Kleinkind gefallen. Das dürfen auch mal Lieder in Fremdsprachen oder Popsongs sein. Dein Kind spürt deine eigene Freude beim Singen, auch wenn es nicht alles versteht oder sofort mitsingen kann.

Du findest viele klassische Kinderlieder im Internet. Leider sind viele davon nicht mehr so – sagen wir zeitgemäß.


Um Lieder zu finden, die deinen Vorstellungen von Zusammenleben entsprechen und dich musikalisch ansprechen, musst du meist etwas tiefer schürfen. Youtube ist oft keine Hilfe, denn viele gut gemachte Kinderlieder dürfen aus urheberrechtlichen Gründen nicht einfach veröffentlicht werden. Die Erfinder sollen ja auch noch etwas davon haben. Du erhältst sie daher nur in ausgewählten Liederbüchern und Tonträgern. Hier einige Tipps:



Titelbild Liederbuch Sonne, Mond und Abendstern

Sanfte Bilder, weiche Töne für ruhige Stunden

Dieses Buch haben wir schon oft zur Geburt von Kindern an Freunde verschenkt, denn es ist eine echte Augenweide. Poetische Illustrationen und mit viel Feingefühl ausgewählte klassische und neue Kinderlieder und Gedichte lassen spürbar zur Ruhe kommen. "Mama, Mondbuch lesen!" war einer der ersten Sätze meines Zweijährigen. Wir haben viele schöne Momente damit verbracht.

Sonne, Mond und Abendstern – Das große Liederbuch zur guten Nacht

Dorothee Kreusch-Jacob I Quint Buchholz erschienen bei Hanser. Eine gleichnamige CD ist im Handel erhältlich.



Klassische Kinderlieder mit viel Witz


Wer mit Kindern singen will, steht schnell vor der Frage, wie sich traditionelles Liedgut ohne Staubschicht und Pathos vermitteln lässt. Ich kenne keine Musikmedien für Kindern, denen das besser gelingt. Jedem Liederbuch liegt eine CD bei, auf denen alle Lieder inklusive Playback-Version mit Augenzwinkern und ohne einschüchternde Perfekt-Stimmen eingespielt sind. Tolle Buchreihe, die gerade im dtv-Verlag nach und nach neu aufgelegt wird. Einblicke gibt es über Eddi Musik auf Youtube.

Am Weihnachtsbaume + Schän ist die Welt (Ab Frühjahr 24)

Franziska Biermann und KollegInnen erschienen bei dtv. Inklusive CDs





Titelbild Krabbelmaus und Zappelzwerg

Kinderlieder, Reime und Stimmspiele


Besondern für die kleinsten Ohren fällt es mir schwer, Lieder zu finden, die auch mich als Mutter und Musikpädagogin ansprechen.

Diese Auswahl von Dorothée Kreusch-Jacob, einer wunderbaren Liedermacherin, Musikerin und Pädagogin kann ich uneingeschränkt empfehlen.

Die Lieder sind kurz, einprägsam und – das ist mir besonders wichtig – gut getextet und musikalisch einfallsreich. Denn wie so oft gilt auch hier:Einfach und gut ist eine hohe Kunst.

Krabbelmaus und Zappelzwerg, Liederbuch + CD separat

Dorothée Kreusch-Jacob erschienen bei Fischer/Sauerländer. Nur noch antiquarisch erhältlich.




Titelbild Spinne spielt Klavier

Geräusche machen ist auch Singen


Kein Liederbuch, sondern ein Bilderbuch, das zu vielfältigem Ausprobieren und Anregen der eigenen Stimme einlädt. Wer mal wieder herzlich mit seinem Kind herumalbern möchte, dem sei dieses Buch empfohlen. Die Illustrationen sind mit so hintersinnigem Humor zusammengestellt, dass bei Groß und Klein kein Auge trocken bleibt. Und wie schon oben gesagt: Geräusche sind der erste Weg zur Singstimme. Also: nur Mut!


Spinne spielt Klavier – Geräusche zum Mitmachen

Benjamin Gottwald

erschienen im Carlsen Verlag



 


Musiklehrerin Stefanie Böhm

Ich bin Stefanie Böhm, Musikpädagogin, Resonanzlehrerin und Redakteurin. Ich helfe Eltern, sich über Klang mit sich selbst und ihren Kindern zu verbinden und sich im Alltag zu entspannen.

Du kannst mit mir in meinen ElternZeit-Gitarrenkursen arbeiten oder im Kurs Klangpause lernen, wie du deine Stimme und deinen Körper für mehr Entlastung mit kleinen Kindern einsetzt.

Vereinbare gerne ein kostenfreies Erstgespräch mit mir.


 

Quellen und weiterführende Links:


  • Dorothée Kreusch-Jacob: Jedes Kind braucht Musik

  • Prof. Dr. Gunther Kreutz: Warum Singen glücklich macht,

  • Warum das Singen in Familien gestärkt werden sollte. Wissenschaftliche Hintergrundinfo von Prof. Dr. Gunther Kreutz

  • Regulation und Musik bei Kleinstkinder. Ein Aufsatz von Saskia Müller 

  • Prof. Dr. Stefan Kölsch: Good Vibrations – Die heilende Kraft der Musik

  • Dr. Eliane Retz: Wild Child

94 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page